Ein Nachruf.
Viele Stunden haben wir alle an ihr verbracht. Fiel uns mal beim Lernen die Decke auf den Kopf, lockte das gute Wetter oder waren wir einfach nur mal heiß auf Lacrosse und es war kein Training in Sicht, so suchten wir sie auf.
Sie war ein geduldiger Lehrer. Jeden Ball warf sie zurück und machte uns so zu besseren Spielern. Ihr konnte man sich mit seinen tiefsten Gefühlen anvertrauen: Ob es die Schmach war, dass auch nach einem Jahr Lacrosse immer noch kein Behind-the-back gelang, oder gar die Quicksticks hakten, sie lachte nicht über uns. Nein, sie arbeitete mit uns stetig an unseren Schwächen und half uns so über einige Krisen hinweg.
Regen, Schnee und Wind haben wir getrotzt, weil auch die Wall diesem Wetter trotzte.
Nein, sie war nicht schön, und auch nicht mehr die Jüngste. Abgeplatzte Farbe hier und da, mit Graffiti beschmiert, der Boden zerfetzt. Aber dafür hatte sie Charakter. So verziehen wir ihr jeden einzelnen versprungenen Ball, der durch ein Loch im Maschendraht für auf Nimmerwiedersehen im umliegenden Gestrüpp verschwand.
Sie stand schon da, da waren viele von uns noch gar nicht geboren.
Sie war nicht einfach irgendein Gebilde aus Stein, Mörtel und ein bisschen Farbe, sie war so viel mehr: Sie war ein Teil des Teams, nicht mehr und nicht weniger wichtig als jeder einzelne von uns auf dem Platz. Obwohl die Wall nicht ein einziges Spiel für uns machen konnte, hinterlässt sie damit eine Riesenlücke im Team.
Heute ist ein Kapitel zu Ende gegangen. Die Wall weg. Abgerissen, grausam dem Erdboden gleich gemacht. Wir konnten uns noch nicht einmal gebührend von ihr verabschieden.
Und wofür das alles? Vor ein paar Tagen hat der Hochschulsport mit den Arbeiten an den neuen Kunstrasenplätzen begonnen. Jenen, die für die Entlastung der jedes Frühjahr durch die Uni-Liga stark überlasteten Rasenfläche am IFL sorgen soll. Dafür musste ein Teil der Tennisplätze weichen und Opfer davon ist auch die Tenniswand.
Zurück bleiben die Fragen.
Doch sie wird weiterleben. Wir tragen sie alle in uns. Sie offenbart sich durch ihre Wirkung in jedem von uns geworfenen Pass, jedem Schuss und jedem Quickstick. Und das nicht nur hier in Göttingen: Durch alle unsere Alumnis wurde ihr Erbe durch ganz Deutschland getragen und hat das nationale Lacrossespiel damit in gewissem Sinne nachhaltig verändert. Dabei kann ihr Nachwirken sogar bis zur WM nach Denver verfolgt werden, die vor einigen Wochen stattfand.
Und nicht nur auf dem Spielfeld sind Geschichten entstanden, auch die Wall hat ihre Geschichten erzählt, die wir nicht vergessen werden. Von Moritz, der sich bei Wallballs als begnadeter Pädagoge bewies, bis hin zu gefrorenen Meshes, die bei “Schneeballs” gefrostet wurden.
So bleibt neben unserer Trauer auch ein Lächeln in guter Erinnerung zurück.
Vielleicht war es einfach an der Zeit. Vielleicht musste das alte Gemäuer weichen, um Platz für Neues zu machen. Eine neue Ära einzuleiten. Jetzt einfach aufhören mit Wallballs? – Das hätte unsere Tenniswand bestimmt nicht gewollt. Das Leben und Lacrossespiel muss schließlich weitergehen. Auch wenn es schmerzt, eine eventueller Nachfolgerin ist schon ausgemacht. Vielleicht entlässt der väterliche Hochschulsport ja demnächst dieses hübsche Töchterchen aus seiner Obhut, sodass wir endlich mit ihr spielen können:
Notfalls müssen wir eben selbst Hand anlegen und ein neues Mauerwerk hochziehen, das der alten Wall gerecht wird.
Die Zukunft ist also noch ungewiss. Wie dem auch sei, es wird lange dauern, bis die tiefen Wunden, die dieser Verlust im Team hinterlässt, geschlossen werden können. In diesem Sinne:
R.I.P. Wir werden dich vermissen, liebe, gute, treue Wall.